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In einem Ort in La Mancha… Irgendwo im Nirgendwo

AWir schreiben den 23. März des Jahres 2015. Es ist Montag. Früh. Und recht kühl. Das Thermometer zeigt unter 10 Grad Celsius. Ein frischer Wind pfeift durch die Neukastilische Hochebene. In einem kleinen Dorf, etwa 90 km entfernt vom geschäftigen Madrid, ist plötzlich richtig was los. Am Rande einer schmalen Straße (der augenscheinlich einzigen Straße, die durch dieses Örtchen führt) gesellen sich zur goldenen Morgenstunde mehrere Jungs und Mädels vor dem Hostal Meson El Rico zueinander. BUnd wecken es mit ihrem fröhlichen Dasein und energischem Stimmengewirr aus dem Dornröschenschlaf. Obwohl es Montag ist. Früh. Und recht kühl. Buenas días! Guten Morgen! Good morning! Der Wind trägt spanische wie deutsche und auch englische Redewendungen und Wortfetzen durch dieses unscheinbare Nest in Castilla-La Mancha. Die jungen Leute gestikulieren dazu mit Händen und Füßen. Lachen. Dem nasskalten Wetter trotzen sie mit Wollmützen, Schals, Regenmänteln, Fleecejacken und festem Schuhwerk. Sie tragen Rucksäcke und Wasserflaschen bei sich. Doch wer sind diese jungen Menschen, die Saelices so aufmischen? Pfadfinder? Nein! Europäische Feldarbeiter? Fast! Denn heute beginnt im Rahmen von Toletum, dem Netzwerk zur Erforschung der Antike auf der Iberischen Halbinsel, die erste deutsch-spanische Fieldschool der Geschichte. In nur wenigen Kilometern Entfernung in der antiken Stadt Segóbriga. CUnd bei dieser Gruppe handelt es sich um Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer internationalen Begegnung von Nachwuchswissenschaftlern aus dem Bereich der Klassischen Archäologie, Alten Geschichte und Klassischen Philologie.  Ein historischer Tag! Alle sind pünktlich. Wie es sich für junge Akademiker gehört. Zufrieden lächelnd deutet Sabine Panzram mit einem Fingerzeig in Richtung der fahrbaren Untersetzer. Vámonos! Es geht los! Innerhalb weniger Minuten verlassen vier  Autos das Dorf in Richtung Süden. Natur soweit das Auge reicht. In jeder Himmelsrichtung. Nach ein paar Kilometern erreicht der Corso den archäologischen Park von Segóbriga, dem Dreh- und Angelpunkt der Fieldschool inmitten von Ruinen. DDer Ort erhebt sich rund 860 Meter über dem Meeresspiegel, im Südwesten des Iberischen Gebirges auf einem Hügel mit einer Grundfläche von etwa 10 Hektar Land. Im Laufe der Jahrhunderte siedelten hier von den Anfängen bis zum Niedergang wohl hauptsächlich Keltiberer, Römer, Westgoten und Araber. Und heute verfolgen und erforschen interessierte Wissenschaftler ihre Spur! So neben Sabine Panzram auch Markus Trunk und Rosario Cebrián Fernández. Mit einem Portfolio in der Hand begrüßt die Spanierin freudestrahlend ihre beiden deutschen Kollegen samt Studierenden vor dem Magazin des Parque Arqueológico de Segóbriga, gibt mithilfe von Luftaufnahmen und Plänen einen Überblick. Bringt Licht in so manches Dunkel… Denn in dieser Woche werden die Teilnehmer der Fieldschool sich mit Grabungstechniken und GBestimmungsmethoden auseinandersetzen und – sofern das Wetter mitspielt – mithilfe eines Georadars zwei bisher unerforschte Bodenareale untersuchen. Doch so eine Prospektion will gut vorbereitet sein! Charo (Kurzform für Rosario Cebrián) schickt die Truppe gleich nach der knappen Einführung zum Schuppen. Dort gibt es das passende Werkzeug zur Bereinigung der Feldflure. Bewaffnet mit Harken, Schippen, Hacken und Schubkarren stiefeln die Schüler in ihrer wetterfesten Funktionskleidung aufs erste Feld unweit des einstigen Circus der Stadt gelegen. Es nieselt. Ist windig. Und immer noch kalt. Doch allen Unannehmlichkeiten zum Trotz befreien die Studierenden in mustergültiger Teamarbeit die Feldflur von jeglichem Unkraut. Festgewachsene Wurzeln werden aus dem Boden gehackt und gehievt, das Gestrüpp zusammengeharkt und in die Schubkarre geworfen. IBis der Boden einem englischen Rasen gleicht! Und nach dem ersten Streich folgt der zweite zugleich: Mit Blick auf die bevorstehenden Messungen soll eine weitere Feldflur, die in einigen hundert Metern Entfernung liegt, ebenfalls von Gestrüpp und lose herumliegenden Steinen befreit werden. Mit Sack und Pack ziehen die Jungs und Mädels weiter, legen auf dem Weg nur eine kurze Aufwärm- und Verschnaufpause ein. Es wird gehackt, geharkt, gehievt und gesammelt. Die Fieldschool macht schon jetzt ihrem Namen alle Ehre! Wie war das noch gleich mit dem Elfenbeinturm…?

Text und Bilder: Jasmin Rashid